Heute schreibe ich über meine Erfahrungen mit meiner Autismus, ADHS und AuDHD Diagnose wie man es mittlerweile oft nennt.
2024 war ein spannendes Jahr. Es begann angeblich mit einem „Burnout“. Ich sag angeblich, weil an der Oberfläche sah es aus wie ein Burnout. Aber das war niemals stimmig für mich. Denn: ich habe auf mich geachtet. Sport, Entspannung. Arbeiten nur unter der Woche, zwischendurch mal Stunden frei genommen, niemals arbeiten am Abend. Zeit mit der Familie. Kochen. Mal Motorradfahren. Ja, anstrengende Ereignisse und Phasen gab und gibt es natürlich auch. Kunden zahlen nicht. Mitarbeiter fallen aus. Kinder werden krank. Aber die Worte anderer Selbstständiger und Unternehmer haben ein anderes Bild gezeichnet: die haben 60 Stunden+ gearbeitet, waren froh am Wochenende mal 1 Stunde Zeit mit den Kindern sich nehmen zu können, wussten nicht wann sie 15 Minuten Zeit für Reflektion über ihre Arbeit nehmen konnten. Davon war ich und bin ich weit entfernt. Eigentlich müsste also alles gut gewesen sein müssen.
Nach 1 Woche Familienurlaub, der mich völlig ausgelaugt hat (ja, rückblickend hätte ich das früher als Anzeichen bemerken sollen… dazu später) kam der Zusammenbruch. Und der Arzt hat mich dann völlig aus dem Nichts heraus gefragt: Herr Schüler, haben sie mal daran gedacht, dass sie vielleicht ADHS haben? Hä? Was hat denn das damit jetzt zu tun? Ja, ich hatte in den letzten Jahren ein paar Eigenschaften an mir beobachtet, die auf ADHS schließen lassen. Online Selbsttest, ja, was auch immer die wert sind. Aber ich habe die positiven Eigenschaften davon genommen und mir zunutze gemacht. Die herausfordernen und schwierigen Eigenschaften… nun ja, die waren so normal in meinem Weltbild, dass ich sie überhaupt nicht sah. Ich bekam eine Überweisung und flotte 2 1/2 Monate später (eine Eeeeewigkeit!) einen Termin.
Die Diagnose war furchtbar. Also der Termin. Ein Gespräch, ja ok. Ich war vorbereitet, wusste was ich erzählen wollte (ja, auch wieder ein Anzeichen, Gespräche vorbereiten im Kopf). Dann kam ein Computer Test. Lauter graue Quadrate die ich beobachten musste am Bildschirm. Das hat gefühlt endlos gedauert. Und war unglaublich anstrengend. Mehr als einmal wollte ich entweder auf den Bildschirm einschlagen oder zumindest die Maus an die Wand werfen oder dem Gerät sonstige Schmerzen zufügen! Aber ich habe es durchgestanden. CFADHD (Kognitive Funktionen ADHS-Erwachsene), CAARS (Conners Skalen zu Aufmerksamkeit und Verhalten für Erwachsene), AQ (Autism Spectrum Quotient) und noch mehr. Ergebnis: ja überall überdurchschnittliche Werte und Auffälligkeiten. Aber. Nicht genug für eine wirkliche Störung. Beeinträchtigt, ja. Aber ich funktioniere zu gut (ja, nächstes Anzeichen hier). Danach, wie schlimm das war, wie anstrengend, wie frustrierend, wieviel Kraft das gekostet hat und wieviel Wut, um mich zusammenzureißen – danach fragte niemand. Nun ja.
Weiter ging es mit einem Autismus Fragebogen. Das ist an sich schon bekloppt genug! Menschen die nicht wissen, dass sie Autist sind und die sich so Verhalten als wären sie normal, danach zu fragen ob sie sich anders zu Verhalten?! Ich habe den Fragebogen ehrlich ausgefüllt. Ich musste auf einer Skala von 1 bis 10 ausfüllen. Bei fast der Hälfte der Fragen habe ich zwei Werte angekreuzt. Weil: manchmal ist es so, manchmal so. Und dazu schrieb ich Begründungen auf den Zettel. 20% der Zeit in diesen Situationen so 80% ist es so. Oder auch, dass sich manche Dinge innerhalb von Sekunden oder Minuten ändern können. Alles genau aufgeschrieben. Ha!
Womit ich nicht gerechnet hatte: die Assistentin im Diagnoseinstitut kam zu mir mit den Worten: „Herr Schüler, sie haben den Fragebogen falsch ausgefüllt“. Hmmm? Ich habe ihn ehrlich ausgefüllt. Genau so ist es für mich. „Nein, das geht nicht. Sie müssen sich für EIN Kreuz entscheiden. Und sie dürfen nichts dazu schreiben.“ Aha. Also ist hier keine ehrliche Antwort gefragt, sondern halten an starre Strukturen (hätte ein nächstes Anzeichen für mich sein sollen). Entsprechend kam nachher ein wackliges Ergebnis heraus: ja, Cut-Off-Wert überschritten, mehr Neurodivergent als Neurotypisch. Aber ich hatte ja den Fragebogen nicht korrekt ausgefüllt. Deshalb keine offizielle harte Diagnose.
Was mir damals noch nicht klar war: die Anzeichen waren da. Genau dieses „unklar sein“ in den Antworten. Dieses ständige Arbeiten um „richtig“ in den Tests zu erscheinen. Die ehrliche Antwort geben wollen anstatt „einfach“ das System zu nutzen. Die Erschöpfung vom Familienurlaub anstatt Erholung. Alles Anzeichen, dass das Leben für mich anders aussieht. Und sich anders anfühlt. Und ich von der Norm abweichende Bedürfnisse und Einstellungen habe. Klar ist das dann anstrengend. Aber das war so normal für mich, dass ich die Anstrengung gar nicht mehr sah. Im Vergleich mit anderen Menschen muss ich Tiefenentspannt erschienen sein, fast schon blasphemisch wie wenig ich mich gestresst habe. Und auf eine gute Umgebung geachtet habe. Was auch notwendig war, um mich in Balance zu halten. Aber: um trotzdem innerlich gestresst zu sein. Was leider völlig unsichtbar war für mich.
Jetzt, 1 1/2 Jahre später, habe ich die Diagnose ADHS, Asperger-Autismus, AuDHD zu einem Teil akzeptiert. Ich sage bewusst „zu einem Teil“. Denn die Probleme will ich noch immer nicht so richtig wahr haben. Und die Vorteile, die „Superpowers“ wie man online oft liest… nun ja, die haben einen Preis. Aber das ist Thema für einen anderen Beitrag.
Viel Spaß! Christian